Andererseits befand ich mich noch in der Anfangsphase des Konzepts und wir mussten uns tatsächliche Retina-Bilder besorgen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich so aufgeregt ich war, dass ich unser Geschäft sogar während der offiziellen Öffnungszeiten schloss und mich aufmachte, einen großen Optiker in der Nähe aufzusuchen. Ich habe mit dem Manager gesprochen und er war von der Idee fasziniert, hatte aber nicht das richtige Instrument, um diese Bilder aufzunehmen. Aber er gab mir die Adresse eines Spezialisten, den ich sofort per E-Mail kontaktierte. Er antwortete sofort und ich werde seine Worte nie vergessen (eine atemberaubend schöne Idee) – er war voll dabei, mit mir zusammenzuarbeiten, und wir begannen, Bilder von meiner Netzhaut und der meiner Frau zu machen.
Die Gestaltung dauerte länger als gedacht, da sich herausstellte, dass aus verschiedenen technischen Gründen ein großer Bildbearbeitungsaufwand nötig war, damit die Bilder für Schmuckzwecke nutzbar waren. Aber es hat Spaß gemacht und ich war es aus meiner ersten Karriere gewohnt, Experimente durchzuführen, und nach einigen Fehlschlägen bekamen wir erste Ergebnisse, die uns zuversichtlich machten, dass es wirklich funktionieren könnte. Es fühlte sich an wie eine abenteuerliche Entdeckungsreise.
Und so begann mein spezieller Weg. 2019 begab ich mich dann auf internationale “Tournee” und stellte unser Konzept an insgesamt 15 Messen weltweit aus – in Zürich, Bern, Luzern über Paris nach London, Edinburgh und sogar Abu Dhabi. Damit war es wohl das Spannendsten (aber auch Anstrengendste) Jahr meiner Karriere. Ich war fast immer auf Achse, aber das Feedback des Publikums war phänomenal. Keiner hatte solch symbolträchtigen Schmuck je zuvor gesehen und die Kraft der zugrundeliegenden Idee faszinierte beinahe alle. Aber natürlich stiess ich auch auf Skeptiker, die bloss den physiologischen Aspekt sahen und meinten, Adern auf dem Trauring, das wäre doch gruselig! Und ja, ich verstand, dass das Auge für viele Menschen natürlich ein sehr heikles Organ ist und dass es für manche nicht einfach zu verstehen ist, wo genau der ästhetische Aspekt liegt. Es sind eben nicht irgendwelche Blutgefässe, die sich nach einem Kater unschön in unserem Auge zeigen (diese befinden sich auf der Hornhaut und haben nichts mit der Retina zu tun). Man muss schon etwas tiefer gehen (im wahrsten Sinne des Wortes) und sich a) die Retina etwas genauer ansehen und b) das Konzept soweit abstrahieren können und verstehen, dass die Einzigartigkeit und Schönheit dieses versteckten Musters eine starke Symbolkraft besitzt, die weitaus komplexer ist als einfache Adern irgendwo in unserem Körper.